Aus den Augen, aus dem Sinn? Wie können Zusammenarbeit und Führung in Corona-Zeiten gelingen, wenn alle im Home-Office sind? Teil 2

Apr 22, 2020 | Wissen

Nun, da Deutschland – etwas unfreiwillig – die Remote-Arbeit für sich entdecken muss, möchten wir Sie auf wichtige Fallstricke bei Führung und Veränderungsmanagement in dieser Phase hinweisen und praktische Umsetzungstipps geben. Im ersten Teil haben wir uns auf die Herausforderungen digitale Infrastruktur und Administration konzentriert. Als wahrscheinlich größtes Themenfeld im Home-Office beleuchten wir jetzt die zwischenmenschlichen Herausforderungen.

Da die Umstellung innerhalb zwischenmenschlicher Themen für Remote-Teams besonders komplex sind, möchten wir uns diesem Bereich ausführlich widmen:

  • Aufbau und Vertiefung von Beziehungen: Das Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeitern, aber auch von Mitarbeitern untereinander, wird in remoten Teams meist als unpersönlicher und weniger eng empfunden. Das liegt u.a. daran, dass viel weniger über Privates gesprochen wird. Kommunikation findet meist nur ziel- oder aufgabenbezogen statt. So kann die Zusammenarbeit in remoten Teams auch weniger locker sein. Um diese Effekte auszugleichen, sind ein ehrliches Interesse am Mitarbeiter und die Betonung der eigenen Menschlichkeit besonders wichtig.

Stellen Sie daher sicher, dass es einen Rahmen im Team für privaten Austausch gibt. Sie könnten freitags das Feierabendbier auch einmal gemeinsam im virtuellen Raum genießen. Wie war die Arbeitswoche? Was ist fürs Wochenende geplant? Wie geht es der Familie?

  • Kontrollverlust: Sie haben sicherlich auch schon von Chefs gehört, die alle fünf Minuten anrufen, wenn ein Mitarbeiter im Home-Office ist, nur um sicherzustellen, dass dieser auch wirklich arbeitet. Die Grundannahme ist dabei „Wen ich nicht sehe, der arbeitet auch nicht.“ Dabei würde dieser Chef zum einen bemerken, wenn Arbeitspakete nicht rechtzeitig abgeschlossen werden, und zum anderen belegen zahlreiche Studien, dass Mitarbeiter im Home-Office eher mehr arbeiten – oft, um eben genau diese Annahme des Chefs zu widerlegen. Weniger persönlicher Kontakt führt häufig zu weniger automatischer Kommunikation und damit auch zu weniger Kontrolle. Der veraltete „Law and Order“-Führungsstil ist an dieser Stelle endgültig vorbei.

Machen Sie sich als Führungskraft klar: Wenn Sie Ihrem Team nicht vertrauen, warum führen Sie genau dieses Team überhaupt? Spontane Anrufe sind wichtig, um eine offene, lockere Atmosphäre zu bewahren. Auch sollten Sie auf jeden Fall eine Übersicht haben, wer gerade an welchen Arbeitspaketen arbeitet. Kontrollanrufe dagegen gehen heutzutage gar nicht mehr.

  • Interpretation virtueller Kommunikation / Quellen für Missverständnisse: Kennen Sie das, dass Sie sich durch eine E-Mail angegriffen fühlen, die eigentlich sehr neutral formuliert ist? Gerade in der schriftlichen Kommunikation werden Charakter des Verfassers und vermeintliche Untertöne gerne frei hinein interpretiert. So kommt es häufiger vor, dass sich Mitarbeiter harsch angegangen fühlen. Auch sind z. B. scherzhafte Äußerungen in Schriftform oft missverständlich. Hilfreich sind auch hier regelmäßige (virtuelle) Treffen, um sich zu vergegenwärtigen, wie eine Person im „echten“ Leben ist.

Außerdem sind Arbeitsanweisungen in geschriebener Form oft viel dürftiger als verbale. Zwar erhöht sich die Verbindlichkeit der delegierten Aufgaben – weil ja schriftlich vorliegt, wann sie übermittelt wurden – aber der Kontext fehlt. Ideen sind schwerer plastisch vermittelbar.

Rufen Sie daher bei der Delegation von Aufgaben immer an – vor allem, wenn es sich nicht um Standard-aufgaben handelt. Fragen Sie aktiv nach und fordern Sie den Mitarbeiter nochmals auf, die Aufgabe in eigenen Worten zu formulieren. Ansonsten führen die kürzere Aufgabenbeschreibung und eine oft schwammige Ergebniserwartung zu schlechterem Verständnis.

  • Teamgeist und Identifikation / Leben gemeinsamer Werte: Unter diese Kategorie fallen gleich viele Herausforderungen. Bei remoter Arbeit kommen Zielbeschreibungen oft zu kurz, aber vor allem auch das Feedback zu getätigter Arbeit. Mitarbeiter fühlen sich oft hermetisch abgeriegelt. Dieser ausbleibende Austausch lässt die eigene Identifikation mit den Aufgaben, dem Team aber auch dem Gesamtunternehmen schwinden. Das schwäbische Lob „Nix gschwätzt isch Lob gnuag“ wird für Sie als Führungskraft spätestens in Remote-Teams zum großen Problem. Denn wenn zu allem anderen auch noch konstruktives Feedback ausbleibt, geht die Menschlichkeit komplett verloren und die Weiterentwicklung des Mitarbeiters stagniert.

Kommunizieren Sie offen und regelmäßig mit allen Teammitgliedern, zeigen Sie ehrliches Interesse und geben Sie Feedback. Diskutieren Sie Zielvorgaben gemeinsam und machen sie auf Freiheiten und Verantwortungen aufmerksam. Zeigen Sie auch virtuell Empathie!

  • Proaktives Konfliktmanagement: Ein Vorteil der Arbeit im Home-Office ist, dass sich nicht jede schlechte Laune von Teammitgliedern direkt überträgt. Es entstehen weniger Streitigkeiten wegen alltäglicher Kleinigkeiten („Wer hat wieder Kaffeepulver NEBEN den Mülleimer gekippt?!“). Ein Nachteil ist aber, dass Konflikte schon ausgewachsen und schwerer aus der Welt zu schaffen sind, wenn sie dann ausbrechen: Aufkommende Konflikte können im remoten Team weniger schnell / früh angesprochen werden. Dies erschwert somit auch das Erkennen und das rechtzeitige Intervenieren bei potenziellen Konflikten durch die Führungskraft. Auch ist eine Aussprache im persönlichen Kontakt leichter, da so die emotionale Komponente besser bearbeitet werden kann.

Tatsächlich ist in remoten Teams daher viel Fingerspitzengefühl gefragt. Vermitteln Sie zwischen Kollegen, die virtuell zusammenarbeiten und fragen Sie mindestens monatlich im bilateralen Gespräch, wie die individuelle Stimmungslage ist, was fachlich, technisch und persönlich blockiert und wie der Mitarbeiter noch besser arbeiten könnte.

  • Sinn für Innovation: Fehlt der offene, spontane Austausch mit anderen, fokussiert man sich sehr auf die eigenen Aufgaben. Das hat viele Vorteile, bringt aber auch mit sich, dass man weniger über den eigenen „Tellerrand“ hinausdenkt. Zielorientierte Diskussionen mit Kollegen aus dem eigenen Bereich oder gar anderen Abteilungen bleiben tendenziell aus.

Schaffen Sie einen institutionalisierten Rahmen gezielt für Verbesserungen und Weiterentwicklungen wie z. B. unternehmensweite Open-Innovation-Plattformen. Führen Sie regelmäßige Retrospektiven mit dem eigenen Team durch.

  • Neue Stressquellen für Mitarbeiter: Bei remoter Arbeit ist ein großer Vorteil, dass man mit weniger Unterbrechungen und somit viel fokussierter arbeiten kann. Natürlich fällt auch der Stress am morgendlichen Arbeitsweg weg. Für die persönliche Entwicklung und Selbstdisziplin kommen aber eigene Herausforderungen auf: Arbeit im Home-Office erfordert die verstärkte Fähigkeit zur Selbstorganisation und Eigenmotivation. Außerdem muss man sich trauen, Fehler oder Probleme offen zu melden, bevor sie zu größeren Schwierigkeiten werden sowie rechtzeitig über mögliche Verzögerungen informieren.

Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Stressoren: Das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen, der fehlende soziale Anschluss, das Ausbleiben spontaner Pausen und Interaktionen und eine oftmals noch größere Informationsflut werden zur psychischen Belastung. So verschwimmen die Grenzen von Beruflichem und Privatem immer mehr – das „Abschalten“ gelingt kaum noch und notwendige Erholungs-phasen werden kleiner. Gerade bei jungen Mitarbeitern oder solchen, die noch nicht viel Home-Office-Erfahrung haben, ist eine unterstützende Führung und ein begleitendes Change Management gefragt.  Dabei geht es natürlich um Selbstorganisation, aber auch um die Entwicklung von Souveränität. Die Führungskraft als Coach muss über klare Kommunikationskanäle greifbar und präsent sein, um diesen Wandel erfolgreich realisieren zu können.

Fazit: Für Remote-Zusammenarbeit und die dazu passende Führungsweise benötigen Sie klare Vorgehensweisen mit passender Tool-Unterstützung. „Softe“ Führungsaufgaben, die bislang eher „nebenbei liefen“, müssen nun institutionalisiert werden, um notwendige Veränderung gezielt umzusetzen. Wie erreichen Sie ein proaktives Konfliktmanagement, wenn Ihr gesamtes Team im Home-Office sitzt? Wie schaffen Sie eine aktive Feedbackkultur? Wie durchlässige Kommunikation und Identifikation? Wie können Sie die psychische Gesundheit Ihrer Mitarbeiter sichern?  Es ist ein Trugschluss zu meinen, dass die Führung von virtuellen Teams einfacher sei. Das Gegenteil ist der Fall:

Change Management und Führung müssen nun strukturierter denn je angegangen und durch die richtige Tool-Landschaft gestützt werden.

Lesen Sie hier auch noch den ersten Teil dieses Artikels.

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Autor: Melanie Tabbi

Autorin

Melanie Tabbi

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UX Designerin und Consultant

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